- Portugal versorgt sich vier Tage nur mit Ökostrom
- Wasserkraft ist Triebfeder der iberischen Energiewende
- Kein europäisches Land hielt länger ohne fossile Energie durch
Die deutschen Ökostrom-Unternehmen frohlockten, als zum Muttertag 2016 ein neuer Rekord erreicht wurde. Erstmals versorgte sich Deutschland zu 87,6 % mit Ökostrom – nur ein verschwindend geringer Anteil musste aus fossilen Energieträgern gewonnen werden. Nur wenige Tage später stand man kurz vor der Vollversorgung mit erneuerbaren Energie, schrammte jedoch knapp vorbei.
Portugal kann über diesen Wert nur müde lächeln. Die Iberer schafften es im gleichen Zeitraum (Mai 2016), ganze vier Tage lang nur von sauberem Strom aus regenerativen Quellen versorgt zu werden – ein nie dagewesener Wert in Europa. Doch was macht Portugal anders als Deutschland, das sich selbst immer gern als Vorreiter bei der Energiewende sieht?
Mit sauberen Strom aus der nationalen Krise
Ein kurzer Rückblick: Im Jahr 2010 lag Portugal finanziell und wirtschaftlich am Boden. Von der weltweiten Finanzkrise gebeutelt galt das Land als Kandidat für die Insolvenz. Jeder zehnte Bürger war arbeitslos, die Verschuldung stieg in gefährliche Sphären an. Inmitten dieses Chaos’ sagte Staatschef Socrates, dass die Energiewende auch in Portugal die Wende einleiten sollte. Durch den Wegfall teurer Öl- und Gasimporte und durch die Schaffung neuer Jobs in der aufstrebenden Branche sollte der Weg aus der Staatsverschuldung geschafft werden.
Heute blüht Portugal zwar noch immer nicht überall, doch die Energiewende hat das Land auf den Weg gebracht. Grundlage dafür war die geografischen Bedingungen. Der Wind weht auf der iberischen Halbinsel konstant, die Sonne scheint im Sommer lang und direkt und die Flüsse sind ideal, um sie für Wasserkraftwerke zu nutzen. Zusätzlich kommt Portugal zu gute, dass es mit rund 10 Millionen Einwohnern klein genug ist, um eine Vollversorgung mit Ökostrom zu leisten. Deutschland soll laut Experten bis 2050 frei von fossilen Energieträgern sein, Portugal scheint es früher zu schaffen.
Heute Portugal und morgen ganz Europa
Schon im Jahr 2010, also zu Zeiten der Krise, lag Portugal auf Platz 2 im Vergleich von Einwohnern und Energieverbrauch. Nur Dänemark mit seinen riesigen Windparks lag vor Portugal. In der Zeit bis zur aktuellen Rekordmeldung baute Portugal vor allem die Stromerzeugung aus Wasserkraft weiter aus. 30 % des gesamten Stroms werden heute aus erneuerbaren Energien erzeugt, die aus Wasserkraftanlagen stammen. Dahinter folgt die Windenergie, die 23 % des benötigten Stroms abdeckt. Kaum einen Anteil an der Energiewende in Portugal hat die Sonnenkraft, obwohl das Land zu den sonnenreichsten Gegenden Europas zählt.
Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil des Ökostroms an der gesamten Energie bei gut 30 %, während Portugal die 50 %-Marke schon im Jahr 2015 knackte. Und was bringt die Zukunft für Portugal? Geht es nach dem Wirtschafts- und Energieminister des Landes, versorgen die Iberer bald auch andere Länder mit Ökostrom, wenn der Wind mal wieder besonders stark bläst. Allerdings: Dazu müsste erst einmal der Anschluss an das europäische Stromnetz vorangetrieben werden.
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